Angel Gone Bad - Anleitung zum Ausbruch
- Lilith Sander
- 15. März 2023
- 7 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 29. Dez. 2023
Trennungen und Abbrüche werden in unserer Gesellschaft als Scheitern angesehen. Dinge nicht durchzuziehen, Partner zu verlassen, Arbeitsverhältnisse zu beenden und Ausbildungen abzubrechen sind eigens ausgestellte Armutszeugnisse.
Du hast es nicht geschafft.
Die Tür war für dich offen, aber du hast versagt. Und nun gibt es kein Zurück mehr. Dein Lebenslauf ist gebrochen, da sind Lücken und Risse, und alles, was dir bleibt, ist sich dort einzureihen, wo sich gescheiterte Persönlichkeiten befinden: im Loosertum (während alle anderen gemütlich und verheiratet in ihrem abbezahlten Reihenhaus sitzen und ihren nächsten Urlaub planen. Ach wie schön könnte das Leben sein! Und du kannst nicht mitmachen!)
Wie gut, dass du auf meinem Blog bist, denn ich bin quasi personifiziertes Versagen und sehe nur Stärke und Wahrheit in Trennungssituationen. Du bist hier deshalb genau an der richtigen Adresse, wenn du auch auf die Überholspur möchtest, die man nur durch das Versagen erreicht.
Du musst natürlich nicht. Nicht jeder ist für die Überholspur gemacht und das verstehe ich komplett. Der Weg ist steinig und nichts für schwache Nerven. Du wirst dich Herausforderungen und vor allem Überforderung stellen müssen.
Ich verstehe es, wenn man deshalb lieber in seiner mittelmäßigen Partnerschaft bleiben oder seine Arbeitsstelle nicht verlassen möchte. Wenn man sich damit abgefunden hat, dass das Leben nun mal so ist, dass man keine andere Wahl hat, dass man es anders nicht schafft (woher soll dann das Geld kommen und wie überleben), dass waschechte Existenznöte dahinter stehen man lieber weiter beide Augen zu macht.
Ich verstehe es, wenn man sich weiter im toxischen Freundeskreis aufhält, damit man seine „Besties“ auf Insta posten und mit ihnen Freitagabend Cocktails trinken gehen kann. Ich verstehe auch, wenn man sich mit einem Leben abgefunden und sich eingerichtet hat: Hier habe ich mein Reihenhaus und meinen Ehemann und hier sind meine zwei Kinder und mein Hund. Und hier! Meine bezahlten Rechnungen!
Ziehe deine Grenzen und sie werden dich gefangen nehmen. Hier ist die Grenze dein Gartenzaun. (Nichts gegen Reihenhäuser und abbezahlte Rechnungen, wohlgemerkt, es geht um den Vibe.)
Oh und am meisten verstehe ich es, wenn man Dinge erst dann verlässt, wenn das Neue schon da ist. Eine recht schmierige und listige Nummer in Bezug auf Partnerschaften, aber ich verstehe es. Bis das Neue aber da ist, kann es Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte, dauern, in denen man einfach nur dahinvegetiert und es im gemütlichen Dreck aushält.
Ich verurteile so ein Leben nicht – leben doch die meisten Menschen so. Hauptsache die Tür ist jahreszeitlich dekoriert, der Lebenslauf und dein Hemd gebügelt. Dass sich dahinter Schmutz und ein gebrochenes Herz befinden, ach was! HAUPTSACHE das Äußere stimmt. Wie viele darauf achten, wie sie aussehen, ob sie sich schminken oder nicht schminken, welche Einstellung sie zu Mode und Marken haben – aber ob man Oberflächlichkeiten auf Papier und die äußere Darstellung seiner gebügelten Existenz gut findet, das steht außer Frage.
Brauchst dich nur nicht wundern, wenn du dann nichts als das gute alte Mittelmaß im Leben erreichst, wenn du nichts von dir aus und möglichst früh VERLÄSST. Wenn du nichts abbrichst, keine Beziehungen beendest, keinen Job kündigst und niemandem einfach mal ein gehöriges „Fck dich“ zusteckst.
Ich verrate dir dabei mal ein Geheimnis:
Versagen ist Macht.
Das Wort Versagen ist dabei ursprünglich nichts anderes als ein Ausdruck für die Möglichkeit zum Verzicht. Wer verzichten kann, der übt Macht aus. Der hat die Wahl, die freie Entscheidungsgewalt über „Ja“ oder „Nein“. Und wenn die Antwort „Nein“ ist, dann weil man bereits genug hat. Ich verzichte auf das Angebot, das du mir machst.
Das „Du-hast-bereits-genug“ kann sich beizeiten natürlich nach dem genauen Gegenteil anfühlen und ich sage dir, wie du mit den Existenznöten und dem gebrochenen Lebenslauf umzugehen hast, damit du so schnell wie möglich wieder auf die Beine kommst.
Was du dabei beachten musst:
Deine neue Rolle
Zuallererst muss dir bewusst sein, dass du im Auge der Gesellschaft nun eine andere Rolle eingenommen hast. Hat es mit einem Partner mal wieder nicht geklappt, dann bist du die neue Bridget Jones, die es nicht einmal schafft für drei Monate eine Beziehung zu führen. Und dass du den Job gekündigt hast, ist ja wohl ein Muster. Schon mal über Psychotherapie nachgedacht?
So der so anders werden deine Mitmenschen dich wissen lassen, wer du von nun an bist.
Glaub das ja nicht!
Das ist so eine linke Nummer. Wer selbst im Mittelmaß fischen geht (also fast alle), der wird sich ins Fäustchen lachen, dass du etwas beendet hast. Endlich kann man sich besser fühlen!
Man wird versuchen, dich noch weiter runterzudrücken und dich an deinem neuen Platz des Scheiterns für immer festzuhalten. Lass das nicht zu! Du bist KEIN Loser, sondern auf der Überholspur, schon vergessen?
Das hier ist eine Übergangsphase, und die ist scheiße, so ist das nun mal, aber das geht vorbei! Und zwar schneller als du denkst. Halt dich einfach an mich und wir werden dafür sorgen, dass du nicht nur die geilste Übergangsphase aller Zeiten haben wirst, sondern daraus als Sieger hervorgehst. Verstanden?!
Übergangsphasen
Ich möchte nichts schönreden und deshalb warne ich dich eindringlich:
Übergangsphasen haben das Potential dich zu brechen.
Es ist in etwa so als würdest du wie ein Akrobat von einem Seil zum anderen springen. Die Zeit, in der du dabei in der Luft bist und dich kein Seil mehr hält, DAS ist die Übergangsphase und hier kannst du tatsächlich FALLEN.
Du kannst aufhören dich zu duschen und stattdessen täglich im Selbstmitleid baden gehen. Du kannst dabei lieber zu Alkohol und Drogen greifen, um deinem Gedankenkarussell Einhalt zu gebieten. Du kannst allen dein Leid klagen, deinen Tag mit Anrufen vergeuden und lieber netflixen.
Oder den ganzen Tag heulen und dich um einen Therapieplatz kümmern.
Ich habe nichts gegen Therapien, und finde sie nötig und gesund, wenn jemand Hilfe braucht. Ich glaube nur, dass alles zwei Seiten hat, und es nicht für jeden gesund sein kann, sich unentwegt mit seinen Problemen zu beschäftigen, seine Person und sein Verhalten ohne Ende zu reflektieren und seine Nase in seine Vergangenheit zu graben als würde man sie Tag für Tag in Scheiße dippen.
Also, nur zu.
Du KANNST das alles machen! Das wird dich irgendwie durch die Zeit schleppen und du wirst am Ende 10 Falten mehr und ein paar schöne Jahre weniger haben, aber hey! Du hast die Zeit überstanden! Und danach wird sich hoffentlich ein neues Mittelmaß einstellen – Hauptsache du kommst in keine nervenzerreißende Übergangsphase ohne Ausblick auf Lösungen mehr hinein.
Das ist so ungefähr der Weg, der sich einem anbieten wird und den die meisten gehen, wenn sie sich in so einer Phase befinden.
Du aber nicht.
Du wirst dich nicht um dich und deine 99 problems drehen und dich gehen lassen. Nicht so lange du deine Füße unter meinem Tisch hast! Eh, meinen Blog liest!
Du wirst dir nicht, wie alle anderen, eine gehörige Portion Selbstmitleid und Zukunftssorgen auftischen lassen, sondern hoffnungsvoll und demonstrativ sorgenfrei deinen Tag gestalten.
Du wirst morgens aufstehen, dich waschen, dich hübsch machen (darfst dabei auch dein Hemd bügeln haha), deine Wohnung verlassen und deinen Alltag gestalten. Du bleibst fleißig und entspannt, OBWOHL dich alles versuchen wird runterzuziehen. Du zwingst dich un deine Gefühle zur Entspannung, Punkt. Du bist NICHT deine Gedanken und Gefühle und solltest spätestens jetzt lernen, dich davon nicht länger wie ein Sklave steuern zu lassen.
Eine gute Gelegenheit auch das mal in den Griff zu bekommen.
Dass du dich dabei natürlich nicht super fühlen wirst und dich Sorgen dennoch quälen werden, ist ganz klar! Du darfst dich davon einfach nicht kontrollieren lassen, das ist schon alles. Übe das!
Übergangsphasen sind und bleiben hart.
Du spielst ab jetzt nicht mehr in der Teddybären-Liga, sondern musst dich mit tatsächlichen Gegnern messen lassen. Wäre es einfach, würde es jeder machen.
Keiner ist seines Glückes Schmied.
Selbst schuld, dass es bei dir (mal wieder) nicht geklappt hat.
Bei den anderen klappts doch auch!
Was für ein Bullshit!
Erstens: Fischen die meisten Menschen im Mittelmaß. Lies hierzu den gesamten Text gerne nochmal.
Zweitens: Jeder, der irgendwas erreicht hat, der einen hochrangigen Beruf ausübt, der berühmt ist, der eine gesunde Partnerschaft hat, der tolle Kinde und ein Haus in Uptown hat – hat einfach nur Glück gehabt.
Du denkst, das wäre alles durch eigene Leistung erreicht worden?
Erfolgreiche Menschen haben Folgendes für ihren Erfolg getan:
Sie waren am richtigen Ort zur richtigen Zeit und haben die richtigen Menschen getroffen.
Natürlich haben die Menschen auch etwas dafür tun müssen, aber glaube mir, an deren Stelle hätten das die meisten Menschen getan. Wie soll jemand lernen, wenn er ständig verprügelt wird? Wie soll jemand sein Business aufbauen, wenn man keine Familie hat, die einem den Rücken stärkt geschweige denn Startgeld aufbringen ODER IN EINER ÜBERGANGSPHASE ein Dach über dem Kopf bieten kann?
Wie soll man aufblühen, wenn man ständig gegen Dämonen kämpfen muss?
Möchte mir jemand erzählen, dass diese Menschen selbst schuld an ihrem Misserfolg seien? Oder selbst schuld daran, dass sie einen Partner „in ihr Leben gezogen“ haben, der sie betrügt?
Ja, man rennt oftmals sehenden Auges in sein Unglück und ja, es gibt Menschen, die schlechte Entscheidungen treffen und nicht an morgen denken. Aber es das kann man von Außen schwer bewerten und abseits dessen, haben die meisten Thronpupser einfach nur Glück gehabt.
„Jaaa um einen Job zu finden, muss man sich nur mal richtig bewerben.“
„Jaaa, man darf natürlich nicht nach einem Partner suchen.“
„Jaaa, man muss sich auch mal zusammenreißen und was schaffen.“
Ist klar. Warte nur ab bis sei den selbsternannten Königen ihrer Umstände auch alles den Bach runtergehen wird – denn das wird es – und was sie dann noch zu kamellen haben.
Das bedeutet natürlich nicht, dass man gar keine Macht über sein Leben hat. Du kannst zum Beispiel toxische Verbindungen abbrechen (Stichwort Versagen) oder in schlimmen Situationen dennoch entscheiden, dass du dich nicht fertig machen lässt.
Ich bin letztlich der Überzeugung, dass diejenigen, die sich erst einmal Dämonen stellen müssen, es später zu viel mehr bringen werden. Man muss die Liga nur bewältigen und darf sich nicht gehen lassen.
Endgültig versagt?
Ja, danach wird es aussehen!
Du hast ENDGÜLTIG versagt und dein Leben vermasselt. Das wars.
Es gibt nun keine Lösung mehr. Alles ist einfach nur kaputt.
And now its my turn (again) to say: Glaub das ja nicht.
Das stimmt nicht. Du hast NICHT endgültig versagt und es ist absolut normal, dass es nun so aussieht und alles an Menschen und Umständen dir genau das weismachen möchte.
Es wird alles viel besser werden, als du jetzt noch denkst. Du kannst es dir einfach nicht vorstellen. Aber das Glück wird auch bei dir wieder vorbeikommen und du musst dafür nichts „richtig“ machen. Lass dich halt nicht gehen, versuche deinen Tag zu genießen und etwas Produktives anzustellen und mit der Zeit wirst du sehen, dass es auch für dich ein schönes Leben im Angebot gibt.
Für das Glück bist du vielleicht nicht verantwortlich, aber fürs Glücklichsein. Und das lernst du am besten genau dann, wenn nichts danach aussieht.
Denn Eines ist klar: Auf dem Siegertreppchen stehen nicht diejenigen, die im Leben das meiste Glück gehabt und einen exzellenten Lebenslauf vorzeigen können. Sondern diejenigenm die die Leiter des Scheiterns hoch gegangen sind und sich ihren Erfolg tatsächlich verdient haben.
Auf das Glück ist kein Verlass.
Aber auf dich. Und du wirst es toxischen Arbeitsstellen, Partnern und Freunden versagen, länger mit dir zutun zu haben.
DAS ist Macht und DAS ist Erfolg.
Die Macht des Versagens.
Lilith
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