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Die versalzene Suppe

  • Autorenbild: Lilith Sander
    Lilith Sander
  • 18. Nov. 2021
  • 7 Min. Lesezeit

Mit jedem Jahr, das vergeht und das mich immer weiter in die Welt der Erwachsenen hineinbringt (mit 27 bin ich ja schließlich immer noch ein junges Huhn), muss ich mit zunehmendem Entsetzen feststellen, wie sich die großen Erwachsenen da draußen benehmen.


Ich hatte noch nie einen naiven Blick auf die Welt, bin nicht in Watte eingepackt aufgewachsen und wurde sicherlich mit keinem goldenen Löffel im Mund geboren. Aber was ich immer mehr feststelle, erstaunt auch mich.


Früher als Kind hatte es mit den Eltern angefangen, und man bemerkte recht schnell: Huch, so allwissend, alles-könnend und vor allem alles-besser-machend, wie man immer gedacht hatte, sind diese Menschen ja gar nicht. Gut, Eltern sind auch nur Menschen und machen Fehler. („Manchmal sehr schlimme und verrückte Fehler, aber wenns nur die eigenen Eltern sind“, denkt sich manch einer wohl dabei.) Und dann stampft man raus in die Welt voller arbeitender Erwachsener, die dafür Sorge tragen, dass die Welt funktioniert, dass Häuser gebaut und Lebensmittel hergeschifft werden – und irgendwann erkennt man: Den Aha-Moment, den man bei seinen Eltern gehabt hat, hat man auch mit dem Rest der Welt.


Ich habe von Greta Thunberg mal in einem Spiegel-Interview zur damals neu erschienenen Biografie gelesen, die ihre Mutter verfasst hatte, dass Frau Thunberg nur krank geworden ist, weil Welt und somit Gesellschaft krank sei, und das somit nur eine konsequente Reaktion auf ihre kranke Umwelt sei. Damals, das muss so 2019 gewesen sein, habe ich mich zunächst gefragt, wie mutig man sein muss, so etwas öffentlich zu sagen. Schließlich stellt man sich mit so einer Aussage gegen die komplette Gesellschaft.


Vor kurzem hatte ich dann ein ähnliches Erlebnis. Ich war auf der Suche nach einer neuen Rolle für ein Projekt, und da ist mir eingefallen, dass ich schon immer mal Joker spielen wollte. Schnell erinnerte ich mich an eine Szene, die mir vom Kinobesuch aus St Andrews hängengeblieben ist, und schaute mir den Ausschnitt nochmals auf Netflix an. Und hier war es wieder: Gesellschaftskritik. Ich hatte vorher nicht mehr gewusst, um was es genau in diesem monologartigen Gespräch ging, indem Joker seine Beweggründe darlegte, aber es erschütterte mich, wie gut man als Zuschauer mit ihm plötzlich mitfühlen konnte. Er war abermals das Opfer einer Gesellschaft, die ihm statt Hilfe zu leisten, einfach links liegen ließ bzw. viel schlimmer noch: oftmals nachtritt.


„Sie denken, dass wir still dasitzen und alles einstecken, wie brave kleine Jungs! Dass wir nicht zum Werwolf werden und durchdrehen!“


Früher hätte ich gedacht, dass das eben eine überzogene Darstellung ist, um einem Film mehr Dramatik zu verleihen.


Aber dass Herzlichkeit und Nächstenliebe sich in der Welt der Erwachsenen immer mehr verflüchtigen, wurde mir dann vollends bewusst, als ich selbst in diese Welt eintrat: mit meinem ersten Job. Jetzt war ich erwachsen. Und mittendrin. Und so sachlich sich viele besprechen, so gut jeder seine Rolle spielt, so schlimm ging es oftmals mit manipulativem Machtmissbrauch hinter den Kulissen zu. Oder man ließ Sachlichkeit direkt links liegen und scherte sich nicht, sein Gesicht zu verlieren. Letzteres findet man gerne im Niedriglohnsektor: die manische Chefin in der Gastronomie, der asoziale Leiter der Reinigungsfirma, und respektlose Kunden, die Angestellte mit Sklaven aus dem 18. Jahrhundert verwechseln.


Zeitgleich las ich eine Biografie über Napoleon und wurde abermals eines Besseren belehrt. Ich Dummerle! Wie hatte ich jemals denken können, dass irgendwas „in gewissen netten Bahnen“ ablaufen würde. Es war mit dem Blick in die Vergangenheit ja zig mal schlimmer auf diesem Planeten! Da wurden Menschen gehäutet, lebendig vergraben und etliche Mordkomplotte gegeneinander geschmiedet. Ja, da kann man ja dankbar sein, dass das zumindest nicht mehr überall auf der Welt der moralische Standard ist.


Und dann kam mir schließlich die wichtigste Frage, die man sich in so einer Welt wohl irgendwann stellen muss:

 Ja, wie schafft man es, da nicht durchzudrehen und selbst wie Greta Thunberg krank, oder wie der fiktive Joker es genannt hatte, „zum Werwolf“ zu werden?


Klar, Therapie ist immer eine gute Wahl. Aber wie schafft man es tatsächlich im ALLTAG und abseits von Meditationen oder Gesprächen mit Beratern und Freunden. Wie schafft man es ganz praktisch?


Und da habe ich eine ganz wichtige Botschaft für dich.


Ich bin der festen Überzeugung, dass ein schönes Leben möglich ist. Ich weiß aber auch, dass es ständig bedroht wird: von deinen Mitmenschen, gewissen Umständen und schlimmen Zufällen. Schicksalsschläge und fiese Umstände können schlimm genug sein, aber man braucht dabei sicherlich nicht noch die harten Attacken gewisser Mitmenschen abzuwehren.


Es wird dir also immer mal wieder die Suppe ordentlich versalzen. Und dann heißt es: Runterschlucken oder anfeinden?


Ich zum Beispiel bin niemand, der sich duckt. Ich kann mich wehren. So lieb und jung und eventuell sogar unbeholfen mit meinem lieblichen Gesichtlein und dem kleinen Körper ich aussehen kann, und so oft ich dadurch auch zur perfekten Zielscheibe werde, ich kann mich richtig gut wehren, und dann schauts für alle Beteiligten nicht mehr so lustig aus. Aber irgendwann hatte ich bemerkt, dass ich mich gar nicht so viel wehren kann, wie ich dann beschossen werde. Und eins muss einem klar sein: Sobald man sich zur Wehr setzt, wird es meist SCHLIMMER.


Und das setzt einem immer mehr zu! Die Kräfte schwinden, die Glückseligkeit erschöpft sich und du wirst nicht nur immer trauriger – irgendwann wirst du einfach nur leer.


Und ehe man sich also versieht, befindet man sich im KRIEG. Und Moment – wollte man nicht genau das verhindern? Na, aber der andere hat doch angefangen! Er hat einen beschmutzt und attackiert, das eigene Essen einfach versalzen, einfach so! Da muss man dem anderen zeigen, dass er das so nicht machen kann.


Nach dieser Schlacht, gibt es aber immer mehr Schlachten. Plötzlich attackiert nicht nur Großbritannien, sondern auch Russland. Nicht nur unfassbare Kollegen, auch Vorgesetzte steigen mit ins Boot, und nun haben wir den Salat. Alle versalzen einem die Suppe und man befindet sich in etlichen Kämpfen. Eskalationen türmen sich auf Eskalationen und das Glück rückt in immer weitere Ferne.


So, und jetzt musst du mir richtig gut zuhören.


Ich weiß, dass du im Recht bist.Du bist im Recht und du BIST das Opfer, du wurdest manipuliert, dir wurde die Suppe tatsächlich und aus absolut schlechter Absicht versalzen, aber du musst mir jetzt richtig gut zuhören:


Du. Mischt. Dich. Da. Nicht. Ein.

Ok? Du mischt dich da nicht ein.


Der Befehl des obersten Kommandanten lautet bei dir immer: RÜCKZUG.

Will heißen: Du schluckst.


Ja, es ist deine Suppe und ja, du hast jetzt diesen Schaden. Es ist unfair, und nervig und doof. Keine Frage. Aber solange es nur deine Suppe ist (und selbst wenn es deine Gourmetmahlzeit im 5 Sterne Ritz wäre), DU MISCHT DICH DA NICHT EIN. 
Denn ich versichere dir: Die Suppe ist nur eine Falle, in Wahrheit will man dich um ganz andere Dinge bringen. Und diese Dinge wirst du beim Zurückschlagen als Erstes verlieren, das ist so klar wie Kloßbrühe.


Deinen Frieden und deine Gesundheit.

Dein Glück. Deine GLÜCKSELIGKEIT.


All das wird sich in dem Moment deiner berechtigten Auflehnung als erstes aus dem Staub machen und du wirst Schwierigkeiten haben, es wiederzufinden.


Soll das heißen, dass du dich etwa nicht wehren sollst?

Ganz genau, das soll das heißen.


Ja, aber dann wird man doch überrannt und bleibt am Ende mit nichts?

Alsob du mit nichts bleibst?

DU?!

Witz des Jahrtausends!

Lächerlich, merkste selber oder?


Natürlich sollst du dich nicht komplett ausnehmen lassen wie eine Weihnachtsgans und absolut keine Grenzziehung vornehmen. Das meine ich nicht. Es kann durchaus sein, dass dich jemand richtig schlimm übers Ohr haut und dann darf man natürlich rechtlich dagegen vorgehen. Aber verwechsel hier ein möglichst ruhiges „Ich hole mir über Dritte Hilfe und überlasse die Sache dann weitestgehend sich selbst ohne mich und mein Innenleben hineinzuwerfen“ mit „ICH SETZE MICH ZU WEHR UND DANN SIEHT DIE PERSON WAS SIE DAVON HAAAT“ nicht.


Das Eine ist logisch und bei schweren Schäden manchmal auch angebracht. Ob man dafür nicht vielleicht doch seinen Seelenfrieden opfert, auch wenn es um eine Millionen Euro geht, steht auf einem anderen Blatt. Das Andere ist dumm. Und lässt dich direkt in die Falle tappen.


Bei allen Dingen, die nicht so derbe schlimm sind (und das ist in 99% der Fall! Auch wenn es sich anders anfühlt!), ziehst du dich bitte einfach nur zurück.

Das bedeutet, dass du einfach NICHT reagierst. Null. Ein Ohr rein, das andere raus.

Du tust so, als wenn nichts passiert wäre. Du bleibst in deinem Frieden und deiner Herzenseinstellung, egal was der andere macht.


Du bist einfach nicht mehr DA, wenn der andere kommt.


Du kannst natürlich dennoch Tagebuch schreiben und es deiner Freundin erzählen, aber du setzt dich nicht zur Wehr, indem du dich auf diese Provokation aka Kriegseinladung einlässt. (Wobei am Besten, ignorierst du es völlig und verzichtest auf ein „Und dann hat er...“, „Und dann hat sie...“.)


Sollte es jemand dann immer weiter treiben und dich nicht in Ruhe lassen wollen, dann verlässt du diesen Ort. Du kündigst, wechselst die Schule oder den Sportverein. Du ziehst dich dann eben auch körperlich zurück und entziehst dich dem Geschehen.


Du kannst meinetwegen vorher noch ein sachliches „Wie meinst du das?“ oder ein „So bitte nicht.“ entgegnen, aber du kannst nicht das Leid der Welt auf deinen Schultern tragen und den Helden spielen wollen.


Du wirst untergehen, wenn du dich immer wehrst und es durchziehst, „damit andere nach dir nicht mehr unter diesem Bösewicht leiden müssen“.


Was irgendein Bösewicht auf dieser Welt treibt, ist nicht dein Business! Es ist ganz allein deren Verantwortung und du bist sicherlich nicht hier, um mit irgendwem kämpfen zu müssen. Kein Heldenkampf, keine Genugtuung, keine Kriegstreiberei.


Schluck die versalzene Suppe, sei froh, dass der andere nun gezeigt hat, wer er ist und geh da weg.


In vielen Belangen wird es jedoch schon reichen, die Attacken einfach zu ignorieren.

Ein böses Wort? Überhört.

Etwas untergejubelt? Stell es wieder zurück.

Rufmord?

MISCH DICH NICHT EIN.


Lass Rufmord und etliche andere Dinge böse Handlungen in dem Sinne zu, als dass du deinem Gegner nicht deine Energie zur Verfügung stellst. DENN GENAU DAS BRAUCHT ER.


Er will dich nicht einfach nur ärgern oder mobben.

Er will deine E N E R G I E.


Er will deinen Frieden, deine Lebenslust, deine Hoffnung, deinen Mut. Und du tust besser daran, so zu tun, ALS SEI NIEMALS ETWAS PASSIERT.


Versteh mich, wie gesagt, dabei bitte nicht falsch. Es ist absolut in Ordnung und sogar wichtig Grenzen zu ziehen. Aber die Frage ist immer: Welcher Energie bedienst du dich dabei? Wirst du wütend? Bekommst du Angst? Rachegefühle? Aggression?


Denn letztlich ist es so: Der Schuss, der da abgefeuert wurde, wird dann ins Nichts treffen. Und nur das gähnende Nichts wird sich der Person repräsentieren.


Sie hat nicht bei dir gefunden, was sie gesucht hat.


Denn dein Lebensglück und dein vor Lust und Laune sprießender Alltag sind so viel mehr wert, als irgendeine Suppe es je sein könnte. Du wirst eh noch Suppen en masse bekommen, Schätzchen. Was genau weinst du hier denn eigentlich hinterher? Das ist doch billig!


Du bist eh der Beschenkte! Zu jederzeit völlig unverhofft und unverschämt bis zum Umfallen beschenkt. Und da musst du noch Erbsenzählen? Neeee. Darauf lassen wir uns gar nicht erst ein! Und wenn du gerade um eine Millionen Euro betrogen wurdest, scheiß egal.

Kommt alles wieder.

Und zwar besser als vorher.


Ich sags immer wieder: Das Leben ist so wie Topfschlagen.

Geh halt dahin, wos warm ist.


Und da wartet auch dein Geschenk auf dich.


Nur auf dich, mein Schatz.


Und keiner kanns dir je wegnehmen.



Lilith

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